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Deutsches Institut für Japanstudien

Fotos rechts unten: Poster, die „schweigendes Essen“ (mokushoku) und „schweigendes Baden“ (mokushoku) empfehlen, um das Risiko einer Tröpfcheninfektion zu vermeiden. Das mokushoku-Poster in einem Restaurant bittet die Kunden, während des Essens nicht zu sprechen. Das mokuyoku-Poster in einem Onsen imitiert den Stil eines Eintrags in einem typischen japanischen Wörterbuch. Es nennt die Lesung des Begriffs in Hiragana, erklärt seine Bedeutung und gibt einen Beispielsatz: „Ich habe schweigend gebadet, um das Spucken von Tröpfchen zu vermeiden.“

Fotos © Torsten Weber

Aktueller Begriff mokushoku / mokuyoku

7. Oktober 2021, von Torsten Weber

Die Corona-Pandemie hat eine Vielzahl an Wortneuschöpfungen und festen Ausdrücken hervorgebracht, ohne die kaum eine Nachrichtenmeldung oder ein Gespräch auskommen. Viele stehen im Zusammenhang mit der Vermeidung der Ansteckung mit dem COVID-19 Virus. Während in Deutschland von 3G (geimpft, getestet, genesen) bzw. inzwischen von 2G (geimpft, genesen) die Rede ist, dominieren in Japan die „drei Engen“ und das „Schweigen“.

 


Abes Masken (アベノマスク), Workation (ワーケーション), Stay Home (ステイホーム) – alles Begriffe, die seit der Corona-Krise in Japan in aller Munde waren oder noch sind. Die noch von der damaligen Regierung Abe im Jahr 2020 an alle Haushalte verteilten Masken verschlangen nicht nur Unsummen an öffentlichen Geldern (ca. 216 Millionen Euro), sondern erwiesen sich schnell auch als wenig hilfreich: sie waren zu klein und aus Stoff. Auch Workation und Stay Home verloren schnell ihren Charme. Ersteres war in der Regel eher Arbeit als Urlaub, und wer den ganzen Tag zuhause bleiben musste, oft in kleinsten Wohnungen, konnte sich schnell eingesperrt vorkommen.

Der japanische Sprachwissenschaftler Yonekawa Akihiko sprach kürzlich in einem Artikel in der Yomiuri Shinbun (2. Juli 2021) davon, dass es sehr selten sei, „dass so viele neue Begriffe und Schlagworte im Zusammenhang mit einem sozialen Phänomen in so hoher Dichte auftauchten“ wie während der Corona-Krise. Selbst nach der Dreifach-Katastrophe von 2011 sei dies nicht der Fall gewesen.

Der seit Frühjahr 2020 in Japan im Zusammenhang mit der Pandemie wohl am meisten verbreitete Begriff „sanmitsu“ 三密 (wörtlich etwa: drei Enge) wurde gar zum Wort des Jahres gewählt: er bezeichnet die weiterhin empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen, nämlich dichte Versammlungen (密集 misshū), enge Kontakte (密接 missetsu) und geschlossene Räume (密閉 mippei) zu vermeiden.

Aber nicht zur Distanz, sondern auch Schweigen ist Gold in einer Pandemie.  Hinter unseren aktuellen Begriffen steht die Aufforderung in Restaurants möglichst schweigend zu essen (黙食 mokushuko) und im Onsen schweigend zu baden (黙浴 mokuyoku). Erfahrungen dieses Autors zufolge wird allerdings weder das eine noch das andere besonders streng befolgt, insbesondere dann, wenn sich mehrere Menschen zum Essen oder Baden verabredet haben. Das liegt möglicherweise auch daran, dass beide in Japan mehr noch als anderswo vor allem als soziale Aktivitäten gelebt und genossen werden – auch und vielleicht gerade in Krisen.