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Deutsches Institut für Japanstudien

Japan in Asien

Forschungsschwerpunkt Januar 1997 - September 2004

Kontext

Seit dem Ende des Kalten Krieges und der Auflösung der Blöcke in Ost und West sind insbesondere auf dem Gebiet von Politik und Wirtschaft weltweit Tendenzen zu Globalisierung, aber auch zu Regionalisierung und verstärktem Regionalismus zu beobachten. Insbesondere in Ostasien, das hier als die Region verstanden wird, die die Länder Nordost- und Südostasiens umfaßt, zeichnen sich umfassende Prozesse eines region building ab.

Diese Entwicklung ist sowohl im institutionellen als auch im kulturellen Bereich erkennbar. So läßt sich seit Anfang der 1990er Jahre eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Staaten der Region feststellen, die etwa in der wachsenden Bedeutung multilateraler Organisationen wie der Asia Pacific Economic Cooperation (APEC) oder des ASEAN Regional Forum (ARF) oder dem umstrittenen Konzept eines nur aus asiatischen Staaten zusammengesetzten East Asian Economic Council (EAEC) zum Ausdruck kommt.

Gleichzeitig sind in den Staaten der Region aber auch auf diskursiver Ebene Tendenzen zur Herausbildung einer regionalen Identität zu verzeichnen. Diese Entwicklung spiegelt sich etwa in asianistischen und pan-asianistischen Diskursen wie auch der Debatte über die sogenannten asiatischen Werte wider, die von führenden südostasiatischen Politikern nachhaltig vertreten worden sind. Das Postulat eines allen ostasiatischen Nationen gemeinsamen Wertekodex stieß nicht nur international, sondern auch innerhalb der Region auf heftigen Widerspruch. Dies macht deutlich, daß die von politischen Akteuren, Wirtschaftsvertretern, Intellektuellen und anderen Akteuren zumeist unabhängig voneinander geführten Diskurse auf unterschiedliche Begriffe von Region und regionaler Identität ausgerichtet sind.

Diese Debatten um regionale Identität lassen sich mit der Herausbildung von imagined communities vergleichen, die, wie Benedict Anderson zeigte, auch die Grundlage für die Entwicklung von Nationalstaaten bildeten. Die Ansätze zu einer stärkeren Integration der ostasiatischen Region, die im traditionellen Asianismus eine historische Grundlage besitzen, haben jedoch auch den Anstoß zur Entstehung verschiedener Gegenbewegungen gegeben, welche durch wachsenden Nationalismus oder ethnische Konflikte in ostasiatischen Staaten geprägt sind und dem Prozeß der Regionenbildung entgegenstehen.

Japan bringt dieser Entwicklung nicht nur besondere Aufmerksamkeit entgegen, sondern spielt darin auch selbst eine entscheidende Rolle. Spätestens seit Beginn der 1990er Jahre macht sich in diesem Land in vielen Bereichen eine Neuorientierung auf Asien hin bemerkbar, sei es in der Politik oder Wirtschaft wie auch im geistigen Leben bis hin zur Populärkultur.

Aus diesen Entwicklungen hat die japanbezogene Forschung in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen im wesentlichen folgende  Themen- und Fragestellungen abgeleitet: Welche Rolle spielte der japanische Imperialismus bei der Herausbildung asiatischer Nationalstaaten? In welcher Weise hat die Konfrontation mit dem japanischen Imperialismus die Entwicklung des Nationalbewußtseins in verschiedenen asiatischen Ländern beeinflußt? Wie geht der japanische Staat mit seiner Geschichte um, insbesondere mit seiner Kolonial- und Kriegsvergangenheit; und wie wirkt sich dies auf das Verhältnis zu seinen asiatischen Nachbarstaaten aus? Wie sind regionalistische Diskurse in Japan historisch verankert und welche Rolle spielte der Asianismus (Ajia-shugi) als Vorläufer des gegenwärtigen asiatischen Regionalismus? Welche Parallelen und Differenzen weisen die aktuellen Entwicklungen im Recht der ostasiatischen Staaten im Zusammenhang mit der zunehmenden Migration innerhalb Asiens und nicht zuletzt nach Japan auf? Interessant ist auch eine Analyse des Diskurses zu der Frage, wie Japan die angestrebte Internationalisierung seiner Gesellschaft (kokusaika) rechtlich umsetzt.

Ein weiterer Themenkomplex befaßt sich mit der "asiatischen" Identität in rezenten literarischen und essayistisch-kulturkritischen Texten. Welche Bezüge finden sich im japanischen Selbstbild der 1990er Jahre und darüber hinaus als "asiatische" Nation zu dem in den 1920er Jahren im kulturellen, vor allem im literarischen Kontext entworfenen Muster einer "Heimkehr nach Japan" (Nihon kaiki)? Gefragt wird auch danach, welche Rolle die Produkte der japanischen Populärkultur im Prozeß der Regionenbildung spielen, und wie sich umgekehrt die asiatischen Populärkulturen auf die "Asiatisierung" Japans auswirken.

Auch der politische Integrationsprozeß der Region und die Herausbildung neuer regionaler Kooperationsstrukturen bilden einen Ausgangspunkt für die Analyse. Hier wird insbesondere nach der Rolle Japans innerhalb der neu gegründeten multilateralen Organisationen in der Region und einer möglichen neuen japanischen Führungsrolle in Ostasien gefragt. Angesichts der seit dem Ende des Kalten Krieges zu beobachtenden Verschiebung im regionalen Kräftegleichgewicht wird mit Blick auf Japan zudem zu untersuchen sein, ob es von seiner einseitigen Anbindung an die USA abrücken und seine Sicherheitspolitik z.B. durch aktive Beteiligung an regionalen Sicherheitsstrukturen, etwa dem ARF, ergänzen wird.

Die seit Ende der 1980er Jahre stark gewachsenen Handels- und Investitionsverflechtungen zwischen Japan und seinen asiatischen Nachbarn erfordern eine Analyse und Bewertung der (noch) schwachen Einbindung Japans in regionalwirtschaftliche Zusammenschlüsse, vergleichbar zur EU oder NAFTA. Das Ungleichgewicht zwischen der dominanten Position der japanischen Wirtschaft im industriellen Sektor Asiens und seiner gleichzeitig auffällig schwachen Stellung im finanziellen Bereich der Region stellt ein weiteres wichtiges Thema dar. Hier geht es um die Frage, welche Implikationen sich hieraus für die verschiedenen Ebenen der Wirtschaftspolitik in Asien ergeben.

Der Forschungsschwerpunkt Japan in Asien am DIJ

 Der 1997 initiierte Forschungsschwerpunkt Japan in Asien am DIJ beschäftigte sich kritisch mit dem Prozeß der Regionenbildung in Asien und ging interdisziplinär der Frage nach, welche Rolle Japan dabei zukommt. Angesichts der begrenzten personellen Kapazitäten des DIJ und einer durch die kurze Laufzeit der Arbeitsverträge seiner Mitarbeiter hohen Fluktuation wurden aus der Vielzahl der oben angeführten möglichen Themen einige besonders wichtig erscheinende Fragestellungen ausgewählt. Dabei steht zudem die Frage im Hintergrund, wo sich in den japanischen Wissenschaften bei der Konzipierung von Forschungsthemen und Theoriebildung eine Abwendung vom "Westen" bzw. eine Selbstkonstituierung als "asiatische" bzw. "japanische" Forschung bemerkbar macht.

Seit 2000 werden in einem auf vier Jahre angelegten Teilprojekt in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Humanwissenschaften der Universität Osaka (Prof. Dr. Mishima Ken’ichi) und der Universität Erlangen (Prof. Dr. Michael Lackner) Asiatische Selbstbehauptungsdiskurse thematisiert. Bereits mehrere Symposien wurden veranstaltet, ein Konferenzband befindet sich in Vorbereitung. Bei den bisherigen Symposien standen die folgenden Fragen im Mittelpunkt: Wie sind Selbstbehauptungsdiskurse in Asien konstruiert? Wie geschah und geschieht die Vermittlung von der intellektuellen Ebene auf die Ebene des Alltagsdiskurses in Politik und Medien? Welche Organisationen existieren oder wurden zur Verfolgung der angestrebten Ziele kultureller Selbstbehauptung gebildet? Welche Rolle spielt das Phänomen der double audience, das unterschiedliche Verhalten bestimmter Intellektueller im Inland und im Ausland?

Geschichte (Bearbeiter: Sven Saaler, 1999-): Im Feld der Geschichtswissenschaften scheint eine Analyse historischer Vorläufer des asiatischen Regionalismus Erkenntnisgewinn zu versprechen, in erster Linie hinsichtlich der gegenwärtigen Situation, der Erscheinungsformen und der offensichtlichen Probleme des regionalen Integrationsprozesses. Dabei soll die Ideologie und Bewegung des Asianismus oder Pan-Asianismus im Zentrum der Überlegungen stehen. Diese bereits in der Meiji-Zeit (1868-1912) entstandene Ideologie ist von auffälliger Kontinuität im intellektuellen Diskurs wie auch in der Politik und scheint gegenwärtig eine Renaissance zu erfahren. Jedoch ist mit der Ideologie des Asianismus auch die revisionistische "Geschichtsinterpretation der Befreiung Asiens" (Ajia kaihō shikan) untrennbar verknüpft, die wiederum einer Annäherung an China und Korea im Wege steht und eher neo-nationalistische als regionalistische Züge aufweist. Diese mannigfaltigen Aspekte stehen bzw. standen im Zentrum mehrerer DIJ-Veranstaltungen.

Politikwissenschaft (Bearbeiter: Isa Ducke, 2001-): Neben Fragen der regionalen Integration in Asien und Japans Rolle darin – Schwerpunkt von Band 10 der Japanstudien – liegt ein Fokus der politikwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema "Japan in Asien" auf dem Umgang mit der Geschichte. Besonders in den Beziehungen mit China und Korea ist die Vergangenheitsbewältigung relevant, und mehrere Veranstaltungen des DIJ haben dieses Thema auch bereits behandelt. Isa Ducke beschäftigt sich besonders mit den japanisch-koreanischen Beziehungen, wobei auch die Vernetzungen mit Bürgerebene untersucht werden. Im Zusammenhang mit Nordkorea sind natürlich auch Sicherheitsfragen von Interesse; dieses Thema wird am DIJ derzeit nur am Rande behandelt.

Sozial-, Wirtschafts- und Technikgeschichte (Bearbeiter: Matthias Koch, 2001-): Energie ist der kontinuierlich stets neu zur Verfügung zu stellende Grundrohstoff jeder Industrienation. Japan ist die führende zivile Kernenergienation in Asien. Während sich in anderen Weltregionen die Ausbaugeschwindigkeit verlangsamt hat, ist Asien diejenige Region, in der die mittel- und langfristige Energiepolitik einer Reihe von Ländern vergleichsweise stark auf Kernenergie zu setzen scheint. Dazu zählen neben Japan die beiden koreanischen Staaten, die VR China, Taiwan, Indien und Pakistan. Kernenergie beinhaltet zugleich eine zivile sowie eine nukleare Option. Das ist nicht erst seit "Koreagate" (1978), den indischen und den pakistanischen Nuklearwaffentests (1998) oder dem nach dem Irak-Krieg (2003) auf die weltpolitische Tagesordnung gesetzten nordkoreanischen Nuklear- und Raketenwaffenprogramm der Fall. In dem Projekt werden vergangene und aktuelle Entwicklungen japanischer Energiepolitik und Kernenergiediplomatie untersucht, um eine Grundlage für die Einschätzung von möglichen zukünftigen Entwicklungstendenzen zu gewinnen.

In der ersten Phase des Forschungsschwerpunktes "Japan in Asien" am DIJ stand die Frage nach einer asiatischen Identität (Gebhardt, 1997-1998) und einer besonderen ostasiatischen Prägung der Moderne (Fuess, 1997-1998) im Zentrum der Arbeit, des weiteren auch die Analyse der Rolle Japans innerhalb des politökonomischen Integrationsprozesses in der Region (Blechinger, 1997-2002, und Legewie, 1997-2001). Seit Ende 1998 wurde zudem die Untersuchung historiographischer und rechtlicher Aspekte der japanischen Rolle bei der Regionenbildung in Asien hinzugenommen (Liscutin, 1998-2001, und Nawrocki, 1998-2000).

Der Forschungsschwerpunkt Japan in Asien ist mittelfristig auf sieben Jahre (1997-2004) angelegt. Die Arbeitsergebnisse werden sukzessive sowohl in den Publikationsorganen des DIJ (Working Papers, Miscellanea, Jahrbuch, Monographien) als auch in externen Fachzeitschriften und Sammelwerken veröffentlicht. Durch die Teilnahme an von dritter Seite veranstalteten Konferenzen sowie die eigene Organisation von internationalen Symposien wird zudem der Austausch mit auswärtigen, zu ähnlichen Fragen arbeitenden Forschern herbeigeführt und zusätzliches Wissen in den Diskussionsprozeß im DIJ eingebracht. Der beiliegende Anhang vermittelt einen Überblick über die bisher im Rahmen des Forschungsschwerpunkts geleistete Arbeit.


Events

14. Januar 2004
Symposien und Konferenzen
Automobilindustrie in Japan und China

12. Januar 2004
Workshops
Die japanische Automobilindustrie – Strategische Herausforderungen und neue Perspektiven

13. Dezember - 15. Dezember 2003
Symposien und Konferenzen
Selbstbehauptungsdiskurse in Ostasien - Versuch einer Zwischenbilanz

5. Dezember 2003
Workshops
E-Democracy in East Asia? How the Internet Affects Politics and Civil Society in Japan, South Korea, and Taiwan(E-Demokratie in Ostasien? Wie das Internet Politik und Zivilgesellschaft in Japan, Südkorea und Taiwan beeinflusst)

12. Dezember - 14. Dezember 2002
Symposien und Konferenzen
Die Allgegenwart von Selbstbehauptungsdiskursen in Ostasien: Chinesische, japanische und koreanische Perspektiven

11. Dezember 2002
Workshops
Globalisierung und Identitätsstiftung in Ost- und Südostasien

29. November - 30. November 2002
Symposien und Konferenzen
Pan-Asianism in Modern Japanese History: Colonialism, Regionalism and Borders (Pan-Asianismus in der modernen japanischen Geschichte: Kolonialismus, Regionalismus und Grenzen)

25. September - 27. September 2002
Symposien und Konferenzen
Japan und Korea auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft - Aufgaben und Perspektiven

7. Dezember 2001
Symposien und Konferenzen
Regional Monetary Cooperation: Is East Asia Following the European Model? (Regionale währungspolitische Zusammenarbeit: Folgt Ostasien dem europäischen Modell?)

14. November - 17. November 2001
Symposien und Konferenzen
Asiatische Selbstbehauptungsdiskurse

21. September 2001
Workshops
Making History: The Quest for National Identity through History Education (Geschichte, Geschichtserziehung und die Suche nach nationaler Identität)

29. Juni 2001
Workshops
Foreign Residents in Japan: Immigration, Integration, and Social Change

18. Januar - 19. Januar 2001
Symposien und Konferenzen
Japan and China: Economic Relations in Transition (Japan und China: Wirtschaftsbeziehungen im Übergang)

30. November - 2. Dezember 2000
Symposien und Konferenzen
Asiatische Selbstbehauptungsdiskurse

31. August 2000
Workshops
Unternehmensführung in China – Strategien deutscher und japanischer Firmen im Vergleich

30. August 2000
Workshops
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Japan und China: Perspektiven für die Zeit nach dem WTO-Beitritt Chinas

15. Juni 2000
Workshops
Economic Relations between Japan and China: Current State and Perspectives (Wirtschaftsbeziehungen zwischen Japan und China: Aktueller Stand und Entwicklungsperspektiven)

13. April - 14. April 2000
Symposien und Konferenzen
Contested Historiography – Feminist Perspectives on World War II (Herausforderung der Geschichte – Der 2. Weltkrieg aus der Sicht feministischer Geschichtsschreibung)

28. Januar 2000
Workshops
Japan-US Security Relations and East Asia [US-japanische Sicherheitsbeziehungen und Ostasien]

17. Juni - 18. Juni 1999
Symposien und Konferenzen
Economic Crisis and Transformation in Southeast Asia: Strategic Responses by Japanese and European Firms (Wirtschaftliche Krise und Wandel in Südostasien: Strategische Antworten von japanischen und europäischen Unternehmen)

31. Mai 1999
Workshops
Social Science Workshop: "Immigration Control? Japanese Law and Policy towards Foreign Residents 1899-1999"

8. Oktober - 9. Oktober 1998
Symposien und Konferenzen
Regional Cooperation in Asia: Will Japan stand up toa Leadership Role?

17. Oktober 1997
Symposien und Konferenzen
The Japanese Empire in East Asia and its Postwar Legacy (Japans Kolonialreich in Ostasien und sein Vermächtnis für die Nachkriegszeit)

12. März 1997
Workshops
Globalization of the Automotive Industry: Japan as Model, Competitor, or Bridgehead in Asia? (Globalisierung der Autoindustrie. Japan als Modell, als Wettberwerber oder als Brückenkopf?)

21. Februar 1997
Workshops
Die Rückkehr zur "Asiatischen Spiritualität"

Team

Verena Blechinger Verena Blechinger (bis Januar 2002)
Politikwissenschaften

Harald Dolles Harald Dolles (bis Juli 2006)
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Isa Ducke Isa Ducke (bis Mai 2006)
Politikwissenschaft

René Haak René Haak (bis Oktober 2005)
Wirtschaftswissenschaft

Irmela Hijiya-Kirschnereit Irmela Hijiya-Kirschnereit (bis September 2004)
Direktorin

Hanns Günther Hilpert Hanns Günther Hilpert (bis Februar 2002)
Wirtschaftswissenschaft

Matthias Koch Matthias Koch (bis Februar 2008)
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Deutschland-Japan-Vergleiche, deutsch-japanische Beziehungen

Jochen Legewie (bis Februar 2001)
Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftsgeographie

Nicola Liscutin (bis September 2001)
Japanische Literatur

Johann Nawrocki (bis September 2000)
Geschichte

Sven Saaler Sven Saaler (bis April 2005)
Geschichte/ Politikwissenschaft